Manchmal führt einen der Zufall zu den tollsten Dingen – zum Beispiel, wenn man wegen saublödem Eisbruchharsch nicht auf der üblichen, direkten Spur, sondern auf einem Waldweg aufsteigt und inmitten eines kaltfeuchten Bachgrabens eine botanische Seltenheit entdeckt: Die Lungenflechte (Lobaria pulmonaria). Schon ihr Namen deutet unschwer an, welch hohen Stellenwert die Flechte einst und heute in der Heilkunde hat – was ich angesichts des besonderen Fundes einfach nochmals nachrecherchieren wollte. Wie spannend die Recherche dann aber werden würde, das hätte ich nicht gedacht!

Die Lungenflechte gilt als eine schönste und größte d heimischen Flechten überhaupt, doch zu finden ist sie nur höchst selten –  noch mehr als andere Flechten reagiert sie höchst sensibel auf Luftverschmutzung, Seit Beginn der Industrialisierung hat sie sich deshalb in die europäischen Gebirgsregionen zurückgezogen und ist im Tiefland so gut wie ausgestorben.
Ein durchaus stimmiges Wuchsverhalten als eines der herausragendsten Lungenheilmittel, das nicht nur die antiken europäischen Ärzte, sondern auch nordamerikanische Medizinmänner in ihr erkannten. Letztere waren allerdings wohl nicht aufgrund der für uns deutlichen Ähnlichkeit der Flechte mit dem Lungengewebe, die Gitksan-Indianer sahen eher eine Amphibienhaut und nannten sie nagaganaw, „Froschanzug“.

Dabei ist die Flechte nur in feuchtem Zustand so richtig schön grün, je trockener sie wird, desto mehr geht ihre Farbe ins weißliche während sich die einzelnen Flechtenlappen eng zusammenziehen – um beim nächsten Regenguss mit beeindruckenden Streck- und Dehnbewegungen mit einem wahren Kraftakt wieder in ihren leuchtendgrünen Vegetationszustand zu springen. Tatsächlich ist auch der Chlorophyllgehalt der Lungenflechten der höchste in dieser Familie, ein Ausbund von „Viriditas“, der grünen Lebenskraft entsprechend Hildegard von Bingen, die häufig bei außergewöhnlichen Heilmitteln zu finden ist. Doch das leuchtende Grün ist nicht die einzige auffallende Farbe an der Lungenflechte, wenn sie nach rund 25 Jahren fruchtbar wird, erscheinen an den Rändern des Thallus knallorangene Fruchtkörper – eine Farbgebung, die entsprechend der Signaturenlehre auf eine Heilwirkung bei Entzündungen hinweist.

Weltweit wird die Lungenflechte dementsprechend als wässriger Aufguss oder in Milch gekocht antibakterielles, entzündungshemmendes und schleimlösendes Heilmittel bei Erkrankungen der Atemwege wie Bronchitis, Reizhusten und Katarrhe mit tränenden Augen eingesetzt.
Nur in der Indianermedizin ist ihre Verwendung bei Hautschäden durch zu starke Sonneneinstrahlung bekannt, was durchaus sinnvoll erscheint da die Flechte die erstaunliche Fähigkeit hat, bei hoher Sonneneinstrahlung den dunklen „Sonnenschutzfarbstoff“ Melanin zu bilden.

Die spannendste Wirkung aber konnte in einer Studie zur antioxydativen Wirkweise der Flechte nachgewiesen werden [1]: Die Lungenflechte wirkt nicht nur allgemein zellschützend auf die Schleimhäute des Verdauungstrakts, sondern hat eine spezifische radioprotective und regenerative Wirkung auf die Stammzellen des Knochenmarks – sie ist also ein Strahlungsschutz und regeneriert die Stammzellen, was auch zur bekannten homöopathischen Indikation als Hauptmittel der postoperative Regeneration bei Kindern passt.

So grandios die Lungenflechte als Heilmittel ist – sie zu sammeln wäre ein Sakrileg, viel Zu selten ist sie dafür bei uns geworden.
Man kann jedoch wunderbar auf niedrige homöopathische Potenzen D3 oder D5 ausweichen, für die das Ausgangsmaterial in speziellen Sammelwäldern kultiviert wird.

Quellen:
[1] Liu, S.: Radiosensitivity of marrow stromal cells and the effect of some radioprotective agents, 1991