Ob sie gut war, die gute alte Zeit?
Rund 500 Jahre lang hüteten die Sennerinnen hier oben ihr Vieh, trotz schwerer Arbeit und einer rauhen Natur doch in einer gewissen Freiheit – das schöne bayrische Wort „g’wappelt“ bezieht sich auf die willensstarken jungen Frauen, die nach eingehender sittlicher Eignungsprüfung durch einen Pfarrer über das mit Wappen versehenes Almerlaubnis-Dokument verfügten.
Wieviele Jäger, Wilderer und von der Gesellschaft Ausgestoßene hier oben im Lauf der Jahrhunderte wohl vorbeigekommen sind, für welche Kinder auf dem heute in Trümmern zerschlagenen Ofen wohl schon Milch gekocht wurde?

Ich sitze am Rand der Almlichtung und zeichne meine Gedanken nach. Je länger ich verweile, umso mehr tauche ich ein in die Fragmente und Lebensskizzen aus anderen Zeiten, die sich allmählich zu einem dichten Netz verweben.
Mit einem Male ist die vergangene Zeit zum Greifen nah, eine Zeit in der andere Sorgen als heute das Leben bestimmten, eine Zeit in der Technik und Zivilisationsstress keine Rolle spielten – wohl aber die Auseinandersetzung mit der Kraft der Naturgewalten, und ein gesellschaftlicher Zwang der mir schier die Kehle verschnürt. Irgendwie bin ich dankbar, daß die Sennerinnen hier oben zumindest einige Wochen im Jahr in relativer Freiheit leben konnten.

Die verfallene Alm als “Lost Place”, ein verlorener und damit überflüssiger Ort? Nein, im Gegenteil.
Es ist ein ganz wunderbarer und wertvoller Ort um in sich zu gehen, um inmitten einer vollkommen irrwitzigen Zeit voller Diktat und Einschränkung durch die in dieser Abgeschiedenheit so klar zu Tage tretende Verbindung zur Vergangenheit Kraft zu schöpfen. Und das Geschenk einer immensen Lebensfreude zu bekommen.